20.40 Uhr: Banden-Boss Marek wird abgeführt
Razzia: Menschenhandel, Zuhälterei - Großeinsatz gegen organisierte Kriminalität. Neun Haftbefehle vollstreckt. Fahnder zerschlagen eine der größten Rotlicht-Banden Hamburgs.
Von Jan-Eric Lindner
Die Zuhälter-Bosse sitzen in einer Suite im noblen East-Hotel an der Simon-von-Utrecht-Straße (St. Pauli) beim Dinner. Rotlicht-Chef "Marek", Karsten M. (45), und sein zweiter Mann "Birke", Guido B.", greifen gerade nach einer Platte mit Meeresfrüchten, als um 20.30 Uhr die Tür auffliegt. Eine Blendgranate nimmt den Männern die Sicht, dann stürzen sich ein Dutzend schwerbewaffnete MEK-Beamte auf die muskulösen Kerle - das vorerst letzte Essen im edlen Ambiente für die Zuhälter: Die "Marek-Bande", die jahrelang den Kiez kontrollierte, ist zerschlagen. Auf die BandenBosse wartet jetzt karge Gefängniskost. Ziel der Großrazzia von Polizei und Steuerfahndung gestern abend ist die Top-Ebene der Bande, die im Landeskriminalamt auch "Hamburger Gruppe" genannt wird. Neun Haftbefehle gegen die "Manager" der Zuhälter werden in Hamburg, im Umland und in Spanien vollstreckt. Ein weiterer Zuhälter soll noch in der Nacht im Hafen von Las Palmas (Gran Canaria) verhaftet werden. Er ist dort gerade auf Kreuzfahrt mit dem Club-Schiff "Aida blu" - zusammen mit seiner Mutter.
Hans-Albers-Platz, Herbertstraße, Davidstraße und Reeperbahn: Ein Meer von Blaulicht gestern abend. Punkt 20.30 Uhr hatten mehr als 700 Beamte, darunter 670 Polizisten und 58 Steuerfahnder, den Einsatz gegen Marek und seine Männer begonnen. Sie stürmten mindestens 14 Bordelle und zahlreiche Steigen auf St. Pauli, die Spielhalle "Nevada", das Café Lausen und die Kneipe "Rotlicht" am Hans-Albers-Platz - die Zentrale, von der aus die Rotlichbosse die Geschäfte führten.
140 Prostituierte wurden kontrolliert, aus dem Café Lausen trugen Beamte einen Tresor. Rund 27 Millionen Euro soll die Marek-Bande mit den Bordellen erwirtschaftet haben. Für rund acht Millionen Euro habe das Gericht Arrestbeschlüsse erlassen, sagte eine Polizeisprecherin. Zeitgleich wurden 27 Wohnsitze von Bandenmitgliedern in Hamburg und im Umland in Schleswig-Holstein und Niedersachsen durchsucht.
Rund 300 Prostituierte sollen die Zuhälter kontrolliert haben. Sie schrieben ihnen vor, wie sie die Kunden zu bedienen, wieviel Geld sie abzugeben hatten und welche Sonderwünsche die Frauen zu erfüllen hatten.
Wer nicht spurte, bekam Gewalt zu spüren. Wer aussteigen wollte, mußte mit Schlägen und Psycho-Terror rechnen.
Die Organisationsstruktur der Bande hatten die OK-Fahnder in monatelangen Ermittlungen aufgedeckt. Angefangen hatten die Ermittlungen nach einer Schießerei auf St. Pauli im Mai. 20 Mitglieder der Marek-Bande hatten vor dem Lokal "Günther Jauch" an der Gerhardstraße mit Schußwaffen, Totschlägern und Baseball-Keulen zwei Zuhälter (36 und 37) überfallen, die aus der Gruppe ausgestiegen waren und sich mit einer Steige an der Herbertstraße selbständig gemacht hatten. Danach kam die Polizei der mittleren Ebene der Bande auf die Spur, nahm im Juli 28 Mitglieder der Arbeitsebene fest (wir berichteten).
erschienen am 18. November 2005