Prijsontwikkeling sinds 1971 in Duitse bordelen
In 2018, een jaar na de invoering van de Nieuwe Duitse Prostitutie wetgeving (ProstSchG), zou het mij langzamerhand duidelijk worden dat de prijzen in de paysex blijvend zouden veranderen. Ik schreef toen het volgende artikel waarin ik na 30 jaar goedkope seks in Duitsland een paradigmaverschuiving in de horizontale handel voorspelde en op basis van mijn onderzoek aanzienlijke prijsverhogingen aankondigde. Het artikel zou destijds worden gepubliceerd op een groot Duits erotisch portaal, maar na grondig overleg hebben we van dit plan afgezien, omdat op dat moment niemand wilde horen over stijgende prijzen in de branche en de verwachte shitstorm niemand ten goede zou zijn gekomen.
Inmiddels heeft de werkelijkheid mijn voorspellingen waarschijnlijk geverifieerd. ik heb het artikel herzien en aangepast aan de huidige omstandigheden (met name de Corona-crisis, de oorlog in Oekraïne). In mijn studie kijk ik naar de inflatoire ontwikkelingen in Duitsland en vooral ook in het oudste beroep van de wereld in de afgelopen 50 jaar en, kort samengevat, leid ik daaruit een redelijke basisprijs af van tussen de 47 (Ruhrgebied) en 73 euro (Keulen) voor seksuele diensten in het loophuis en van 94 euro voor de clubnorm van een half uur in de saunaclub, en dat alleen voor het jaar 2022, want ik heb nog geen definitieve cijfers voor het jaar 2023. Hoe ik tot deze prijzen kom, als men alleen een eerlijke prijsontwikkeling accepteert, wordt in het volgende onderzoek uitvoerig uitgelegd.
Ik laat het artikel in mijn moedertaal Duits omdat mijn Nederlands niet goed genoeg is voor de soms ingewikkelde beschrijvingen. In de hoop dat jullie Duits beter is dan mijn Nederlands en dat mijn artikel velen aan het denken zal zetten,
vriendelijke groeten
Pelagos
Spiegel-Bericht Eröffnung Essen Stahlstraße 06.04.1965:
https://www.spiegel.de/politik/stahl...0-000046272201
Spiegel-Bericht Eröffnung Eroscenter Köln Hornstraße 27.02.1972:
https://www.spiegel.de/politik/zu-st...0-000042971977
Preisalarm in den Bordellen – steigen die Preise?
Insbesondere seit der Einführung des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) im Jahre 2017 mehren sich die Stimmen von teils irritierten, teils fassungslosen Bordellbesuchern und gerade auch Kunden von Saunaclubs, die davon zeugen, dass Huren neuerdings satte Aufpreise für sexuelle Dienstleistungen aufrufen, die jahrelang mit Zahlung des Basispreises im Leistungsspektrum inkludiert waren. Anderseits seien viele Damen im horizontalen Gewerbe die angeblich seit Jahren stagnierenden, zu niedrigen Tarife für ihre Tätigkeit leid und böten ihre Dienstleistungen nur noch zu deutlich erhöhten Mindestpreisen an. Wie steht es mit den Hurenlöhnen in Deutschland – sind sie zu hoch oder gar zu niedrig? Wir haben recherchiert und ist dabei zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen. Eines vorweg – die Frage, ob Huren in Deutschland angemessen bezahlt werden, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Bitte beachten Sie: der Inhalt dieses Artikels bezieht sich auf die Situation in Deutschland und lässt sich nicht ohne Weiteres auf die Schweiz und auf Österreich übertragen.
I. Evaluation der Daten
Lassen Sie uns zunächst einen Blick auf folgende Tabelle werfen. Sie veranschaulicht die Entwicklung des Verbraucherpreisindex und der Bruttolöhne in Deutschland seit 1971 im Vergleich zur Entwicklung der Hurenlöhne und der Tagesmieten für Zimmer in Eroscentern. Es erschien uns sinnvoll, eine Zeitreihe bis zurück in die 1970er Jahre darzustellen, um den Kaufkraftverlust der Währung hinreichend zu veranschaulichen und um Faktoren zu berücksichtigen, die weiter unten diskutiert werden.
Preisentwicklung in deutschen Bordellen.jpg
Erläuterungen:
*1 Der Verbraucherpreisindex (hier: HVPI, Jahresdurchschnittswerte, Werte vor 1991 basieren auf dem Preisindex für die Lebenshaltung in der BRD, Quelle: https://www.destatis.de/DE/Themen/Wi...ublicationFile ) ist ein impliziter Indikator der Inflation und spiegelt den Kaufkraftverlust des Geldes in Deutschland in geeigneter Weise wider.
'*2 Entwicklung der Bruttolöhne in Deutschland (hier stellvertretend für Nordrhein-Westfalen als dem bevölkerungsreichsten Bundesland, da die Verwendung gesamtdeutscher Daten nach dem Beitritt der neuen Bundesländer 1990 unweigerlich zu einer Verzerrung der Daten geführt hätte) seit 1971 (Quelle:
https://www.statistikportal.de/de/vg...lle-ergebnisse )
*3 Übliche Basistarife [d.h.der Betrag, der von den meisten Frauen als Mindestpreis genannt wird] in deutschen Eroscentern, hier beispielhaft Essen Stahlstraße als eher preisgünstige Variante und Köln Hornstraße (für 1971 wurde hier der Preis bei Bordelleröffnung von 1972 verwendet) als spürbar teurere Metropole, nach Zeugen- und Presseberichten.
*4 üblicher Basistarif in deutschen Saunaclubs, bereinigt um den so genannten Clubstandard, gemäß Erfahrungswerten. Der Clubstandard ist eine wichtige Größe in Saunaclubs. Er reflektiert die Erwartung, dass die in den Clubs tätigen Frauen grundsätzlich folgende Dienstleistungen nicht als aufpreispflichtige Extras verhandeln: Oralverkehr ohne Kondom, Cunnilingus, Küssen inkl. Zungenküssen und des Weiteren ein Verhalten, das als sogenannte Girlfriend Experience rezipiert wird. Eine faire Preiskalkulation muss berücksichtigen, dass die deutschlandweit für Saunaclubs verbreitete sogenannte Kennziffer CE für Club-Einheit – die insbesondere in den wichtigsten Regionen im Rheinland und im Frankfurter Raum typischerweise 50 € für 30 Minuten Service gemäß Clubstandard bezifferte – von jeher einen Preisaufschlag zum Basisservice, wie er etwa für Eroscenter typisch war, beinhaltete. Anhand der korrespondierenden Daten aus Eroscentern gehen wir davon aus, dass dieser Preisaufschlag zu DM-Zeiten – also zu einer Zeit, als die grundlegenden Strukturen für möglicherweise noch heute geltende Preismodelle gelegt wurden - bei einer CE in Höhe von 100 DM die Hälfte, also 50 DM, ausmachte. Dafür spricht auch, dass zumindest im Rheinland für verlängerte Buchungen lediglich eine einmalige Zuzahlung von 50 DM verlangt wurde, was impliziert, dass der Clubstandard damit als abgegolten betrachtet wurde, egal wie lange ein Zimmergang dauerte. Aus 100 DM wurden nach Einführung des Euro [deutscher Umrechnungskoeffizient 1,95583] gerundet 50 €, bei verlängerten Buchungen galt für jede weitere halbe Stunde eine Zuzahlung der einst üblichen 50 DM, also 25 €. Einfacher ausgedrückt: 30 Minuten Sex im Club kosteten standardmäßig 50 €, 60 Minuten kosteten 75 €, 90 Minuten kosteten 100 € usw. Allerdings galt dieser Zusammenhang nicht für die Clubs im Frankfurter Raum, wo für jede zusätzliche halbe Stunde traditionell erneut 1 volle CE in Höhe von 50 € abgefragt wurde. Akzeptiert man die hier dargelegten Erläuterungen, dann ist davon auszugehen, dass man im Rhein-Main-Gebiet die Auffassung vertrat, auch der Preisaufschlag für den Clubstandard sei mit jeder Verlängerung der Buchung erneut zu entrichten. Ansonsten bleibt nur die Schlussfolgerung, dass im Großraum Frankfurt eben alles ein wenig teurer ist als im Rheinland. Um das Jahr 2014 herum zog das Rheinland nach, seitdem sind auch dort die vollen 50 € Nachzahlung für jede verlängerte halbe Stunde Servicezeit üblich.
*5 Entwicklung der mittleren Tagesmieten in den (traditionell preisgünstigen) Eroscentern des Ruhrgebietes, außerdem Kölns, nach Zeugen- und Presseberichten. Anderswo in Deutschland ist eher mit noch höheren Preisen zu rechnen.
Bei den Hurenlöhnen haben wir vor allem die Erfassung der Daten in deutschen Eroscentern (Spalte 4) oder Laufhäusern und Laufstraßen favorisiert, weil es zu sexuellen Dienstleistungen und Tagesmieten in diesem Bereich einsichtiges und gut vergleichbares Datenmaterial gibt. Damit ist gemeint, dass sich ein Besuch im Eroscenter im Jahre 1971 nicht wesentlich von einem Besuch im Jahre 2022 unterscheidet: Das Prozedere ist immer noch das gleiche und die Preise sind für den Zeitraum der letzten 50 Jahre gut dokumentiert, anders als zum Beispiel im hochpreisigen Escortservice-Segment, wo die Preise seit jeher diskret und informell verhandelt werden und enormen Einflüssen, beispielsweise in Form von beträchtlichen Spesen, unterliegen, die zu stattlichen Abweichungen von Durchschnittspreisen führen.
Für Saunaclubs lassen sich in der Tabelle sinnvoll erst für die 1990er Jahre Preise darstellen, weil es vorher kaum Saunaclubs nach heutigem Verständnis in Deutschland gegeben hat. Allerdings lässt sich aus der Tabelle die wichtige Information ableiten, dass die Servicepreise in deutschen Saunaclubs sich analog zu den Preisen in Eroscentern verändern. Anders ausgedrückt: Hätte es im Jahre 1971 schon verbreitet Saunaclubs gegeben, dann hätten sich die Preise dort vermutlich ähnlich entwickelt wie in Eroscentern.
*6 Hypothetisch fairer Wert, gemessen an der Entwicklung der Bruttolöhne in Deutschland in Spalte 3.
*7 Für die sogenannte Mutter aller Clubs, den legendären FKK Bernds Schieferhof, der schon 1981 in Hennef als Saunaclub startete, haben wir als aussagekräftigen Sonderfall die Preisentwicklung in Spalte 7 dokumentiert. Bis zur Einführung des Euro im Jahre 2002 herrschte im Schieferhof seit den 80er Jahren ein Preismodell, das bei einem Eintritt von 70 DM bei jedem Zimmergang 150 DM fällig werden ließ. Das klingt zunächst teuer, allerdings waren damals die Buchungen nicht an ein Zeitmodell gebunden: Eine Runde kostete immer 150 DM, auch wenn es eine Stunde dauerte, bis man fertig war; des Weiteren war das ansonsten üblicherweise mit Aufpreisen belegte Extra Französisch Total im Preis enthalten und schließlich war das gesellige Beisammensein vor und nach dem Zimmergang mit der Dame der Wahl ebenfalls nicht kostenpflichtig; diese Faktoren waren nebst anderen Bausteine einer Strategie, die den legendären sogenannten Hofstandard begründeten. Bei Einführung des Euro im Jahre 2002 wurden die Preise bei einem Umrechnungskurs von 1 € = 1,95583 DM leicht nach oben aufgerundet, der neue Eintrittspreis betrug jetzt 40 €, der Zimmergang schlug mit 80 € zu Buche. Dieses Preismodell wurde im Jahre 2004 verändert und hat sich bis ins Jahr 2022 gehalten: Der neue Eintrittspreis lag nun bei 70 €, für Zimmergänge galt fortan ein Preis von 50 € für 30 Minuten. Auf den ersten Blick wirkt diese Umstellung wie eine Preisumverteilung zugunsten des Schieferhofes und zu Lasten der dort arbeitenden Damen. Dazu muss man allerdings wissen, dass sich für die Frauen preislich nichts änderte, da sie vorher einen Teil ihrer Einnahmen an den Schieferhof weiterreichen mussten. Der Differenzbetrag von 30 €, wurde nun dem Eintrittspreis zugeschlagen – für den Schieferhof eine verlustbringende Strategie zugunsten seiner Damen, sofern die Gäste während ihres Aufenthaltes im Durchschnitt deutlich mehr als einmal eine Dame buchten. Vielbucher waren nun eher im Vorteil, für Buchungsmuffel wurde ein Besuch im Schieferhof nun deutlich unvorteilhafter. In der Tabelle sind in Spalte 7 die in Euro ausgedrückten historischen Preise der Hurenlöhne im Schieferhof ohne Preisbereinigung um die hier beschriebenen Effekte dargestellt, da sich eine solche Preisbereinigung in diesem Fall kaum sinnvoll durchführen lässt. Doch auch ohne komplizierte Rechenakrobatik ist leicht einsehbar, dass bei einem Verbraucherpreisindex, der sich seit 1986 nahezu verdoppelt hat, und bei einem Umstellungskurs von DM zu Euro von rund 2:1 im Schieferhof kaufkraftbereinigt heute die gleichen Preise in Euro gelten müssten wie 1986 in DM, also 70 € Eintritt und 150 € pro Zimmergang. Anders ausgedrückt: Ungeachtet sonstiger Effekte haben Schieferhof und seine Damen ganz offensichtlich vor mehr als dreißig Jahren besser Geld verdient als heute – ein deutlicher Beleg für die seit Jahrzehnten vorhaltende Preisstagnation im horizontalen Gewerbe.
*8 Köln Hornstraße: Für 1971 wurde hier der Preis zum Zeitpunkt der Bordelleröffnung von Januar 1972 verwendet.
Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass sich die Kaufkraft der in Deutschland geltenden offiziellen Währung seit 1971 fast geviertelt hat, während die Bruttolöhne in Deutschland (NRW) sich in diesem Zeitraum fast verfünffacht haben. Demgegenüber ist der Hurenlohn in deutschen Eroscentern, bezogen auf den Minimaltarif, bei der Euroeinführung auf das Dreifache gestiegen, wo er fast zwanzig Jahre lang verharrt hat. Parallel dazu haben sich die Tagesmieten für Huren in deutschen Eroscentern teilweise schon verzehnfacht. Auffällig ist, dass 1971 noch ein oder zwei Hurenlöhne fast ausreichten, um die Tagesmiete in den Eroscentern abzudecken – davon können die Huren heute nur noch träumen.
II. Einflussfaktoren
Was ist von diesen Zahlen zu halten? In den vergangenen 50 Jahren haben insbesondere zehn Faktoren die Preise im horizontalen Gewerbe nachhaltig beeinflusst. Wir möchten sie hier kurz in Erinnerung rufen:
1) Beschaffungsprostitution
Ende der 1960er Jahre etablierte sich insbesondere in der westlichen Welt ein neuer hedonistischer Lebensstil, der mit einer Explosion der Zahl Drogenabhängiger einherging. Die sich daraus ergebende Beschaffungsprostitution übte Preisdruck auf den Hurenlohn in den 70er Jahren aus.
2) AIDS
Die AIDS-Hysterie der 1980er Jahre, also die panische Angst davor, sich durch sexuelle Kontakte mit einer todbringenden Krankheit zu infizieren, hat möglicherweise preistreibend auf den Hurenlohn gewirkt, weil Huren für die Bereitstellung bis dato als unproblematisch erachteter Sexualpraktiken nunmehr ein zusätzliches Benefit verlangten. Insbesondere hat sich damals bei Praktiken, die einen Austausch von Körperflüssigkeiten nach sich ziehen, die Verwendung von Kondomen als dringend geboten etabliert. Auf der anderen Seite spricht allerdings mehr dafür, dass AIDS dem horizontalen Gewerbe auf Jahre hinaus das Geschäft verhagelt hat. Insbesondere in der Anfangszeit der Krise herrschte große Unsicherheit über die Übertragungswege der Krankheit und darüber, ob es überhaupt noch ungefährliche Möglichkeiten gab, seine Sexualität mit jemand anderem als einem festen Beziehungspartner zu leben, und selbst Letzteres konnte sich als gefährliche Illusion entpuppen. Konsequenterweise gab es nicht wenige Freier, die sicherheitshalber über Jahre hinweg dem Milieu fernblieben; andere fragten nur noch zögerlich gewisse Dienstleistungen nach.
3) Zusammenbruch des Ostblocks
Der Zusammenbruch des Ostblocks nach 1989 und der Zustrom hunderttausender osteuropäischer Frauen in europäischen Bordellen versetzte Freier in einen Freudentaumel und zog einen entsprechendem massiven Preisdruck nach sich. Wir erachten diesen Punkt als den maßgeblichen Preisbildungsfaktor der letzten 50 Jahre im horizontalen Gewerbe.
4) Internet
Die Verbreitung des Internets in den 1990er Jahren sorgte für eine bis dato unbekannte Transparenz und Aufgeklärtheit in der Bevölkerung und hier im Speziellen unter den Freiern, mit entsprechender deflatorischer Wirkung.
5) Prostitutionsgesetz (ProstG)
Das ProstG von 2002 wirkte wie ein Fanal zu nahezu unbegrenzter Freizügigkeit im horizontalen Gewerbe, das eine entsprechenden Gründerboom bei Clubbetreibern auslöste; das heißt, dass der Markt sich in Richtung eines Käufermarktes hin entwickelte, mit entsprechendem Druck auf die Preise.
6) Einführung des Euro
Die Einführung des Euro-Bargeldes in 2002 hat nicht nur in der Prostitution, sondern in allen Wirtschaftsbereichen Akteure dazu verlockt, unter dem Deckmantel der neuen Währung die Preise zu erhöhen. Das hat dort, wo es stattfand, bei der Kundschaft für Verärgerung gesorgt. Wie auch immer, dieser erste preistreibende Faktor seit vielen Jahren zeigte vorerst nur eine geringe Wirkung. In Deutschland zumindest mussten Prostituierte allerdings auch aufgrund der gerundeten Preise bei der Währungsumstellung (von 100 DM auf 50 € statt auf rechnerisch exakte 51,13 €) eine nun dauerhaft etablierte Lohnsenkung von knapp 2,5 % hinnehmen.
7) Hartz-Konzept und Geiz-ist-geil
In Deutschland kamen es nach dem Zusammenbruch der Technologieblase der 90er Jahre im Zeitraum 2000-2003 zu einer scharfen Rezession, Wohlstandseinbrüchen und einem Anstieg der Arbeitslosenquote auf neue historische Höchststände bis ins Jahr 2005 hinein. Die Antwort der Politik darauf war 2002 eine umfassende Arbeitsmarktreform mit weitreichenden Folgen, die unter dem Namen Hartz-Konzept in Deutschland bekannt sind. Sinnbildlich für den damaligen Zeitgeist ist der Werbeslogan Geiz-ist-geil einer deutschen Elektronikhandelskette, der in Deutschland zum geflügelten Wort wurde. In dieser Zeit florierten Leiharbeitsfirmen insbesondere im sich stark ausbreitenden Niedriglohnsektor genauso wie die inzwischen verbotenen Pauschalclubs, die sich noch auf Jahre hinaus als unschlagbar billige Alternativen zu den normalen Saunaclubs etablierten. Es liegt auf der Hand, dass vor diesem gesamtwirtschaftlichen Hintergrund Preiserhöhungen im Paysex nicht zur Debatte standen.
8) Finanzkrise
Die weltweite Finanzkrise von 2008 glich einem wirtschaftspolitischen Erdbeben, beschädigte die globale Finanzarchitektur und zog auch in Deutschland einen scharfen Einbruch der Wirtschaftsleistung nach sich. Zwar konnte Deutschland diese Krise erstaunlich rasch überwinden, die Zeiten waren aber erneut nicht geeignet für Preiserhöhungen in der Sexbranche, die sich nach den florierenden Jahren von 2003 bis 2007 allmählich angeboten hätte.
9) Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG)
In 2017 befindet sich Deutschland im achten Jahr einer prosperierenden Wirtschaftsentwicklung mit satten Reallohnsteigerungen und historisch niedrigen Arbeitslosenzahlen. Die Rahmenbedingungen sind an und für sich schon günstig für die Durchsetzung von Preissteigerungen auch im horizontalen Gewerbe, als am 1. Juli des Jahres ein schon im Vorfeld heftig umstrittenes neues Gesetz inkraft tritt. Das ProstSchG von 2017 hat inzwischen massive Restriktionen für Bordellbetreiber, Prostituierte und Kunden nach sich gezogen, mit entsprechend preistreibender Wirkung. Zwar hat es bei allen Akteuren unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes noch die Neigung gegeben, die an sie adressierten Bestimmungen so weit wie möglich zu ignorieren, doch dieser Effekt dürfte allmählich auslaufen, insbesondere deshalb, weil seit 2020 ein Ereignis weltweit für Aufruhr sorgt, dass die Diskussionen um das ProstSchG überschattet.
10) Corona-Pandemie, Inflation, gestörte Lieferketten und Ukraine-Krieg
Die Corona-Pandemie hat seit ihrem Einsetzen Anfang 2020 eine vernichtende Wirkung auf das Prostitutionsgewerbe entfaltet. Die langfristigen Folgen auf der Anbieterseite, insbesondere bei den Bordellbetreibern, sind noch nicht absehbar. Gleichwohl ist offensichtlich, dass den kollabierten Angebotsstrukturen eine unverändert hohe Zahl an Nachfragern gegenübersteht, die seit Ausbruch der Pandemie in Lauerstellung verharren. Inflationäre Effekte sind vor diesem Hintergrund alles andere als überraschend. Die geldpolitische Reaktion der Notenbanken weltweit auf die Pandemie haben des Weiteren einen Inflationsschock nach sich gezogen; der Krieg in der Ukraine hat die Inflation darüber hinaus beschleunigt und insbesondere in Europa große Ängste geweckt.
In 2017 kam es in Deutschland mit dem Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) zu einer wichtigen Neuerung der Gesetzeslage im Hinblick auf den Gebrauch von Kondomen, die nun zwingend beim Geschlechtsverkehr – wozu nach richterlicher Auffassung auch Oralsex gehört - vorgeschrieben waren. Der Verzicht auf Kondome war aber über viele Jahre hinweg gerade ein essenzieller Bestandteil des Clubstandards. Die neue Gesetzeslage hätte eigentlich unweigerlich eine entsprechende Bereinigung der Tarife (siehe weiter oben unter 4*) und damit eine allgemeine Preissenkung nach sich ziehen müssen. Hingegen ist das Gegenteil passiert: Seit 2017 scheinen die Preise in den Clubs zu steigen. Diese Entwicklung ist entweder widersinnig oder impliziert Schlüsse, die wir hier nicht weiter vertiefen wollen. Stattdessen möchten wir aber noch darauf hinweisen, dass Zuschläge für besondere Servicevarianten – beispielsweise Analverkehr – auch der allgemeinen Kaufkraftentwicklung folgen sollten. Wir haben nicht genügend Datenmaterial, um die Frage zu beantworten, ob auch die Preise für diese Extraleistungen im Laufe der Jahrzehnte dem allgemeinen Preistrend im horizontalen Gewerbe gefolgt sind.
III. Schlussfolgerungen
Es wird auf Seiten der Freier oft argumentiert, dass der Kaufkraftverlust der in Deutschland geltenden Währung etwa in den letzten 20 Jahren bei rund 30 % liegt, während die Servicepreise in den Clubs sich inzwischen verdoppelt zu haben scheinen. Somit seien die Preisentwicklungen in jüngster Zeit nicht gerechtfertigt. Wir können uns dieser Betrachtung leider nicht anschließen. Vielmehr legt unser Datenmaterial nahe, dass es ohne den hohen Zustrom osteuropäischer Frauen in deutsche Bordelle bereits in den 1990er Jahren zu kräftigen Preiserhöhungen im Milieu gekommen wäre. Anders ausgedrückt: Hätten in der 90er Jahren weiterhin vorwiegend einheimische Frauen in deutschen Bordellen gearbeitet, dann wären die Preise sicherlich der allgemeinen Inflationsentwicklung gefolgt. Das haben sie damals nicht getan und es scheint so, als ob immer mehr Frauen nunmehr eine entsprechende Kompensation einfordern, zumal D-Mark bzw. Euro heute längst nicht mehr dieselbe Kaufkraft in ihren Heimatländern haben wie vor 20 oder 30 Jahren.
Legt man die Entwicklung der Verbraucherpreise und Bruttolöhne seit 1971 in Deutschland zugrunde, dann sind die Hurenlöhne in Deutschland seit Jahren zu niedrig. Ein Bordellbesuch war innerhalb dieses Zeitraumes kaufkraftbereinigt niemals billiger als im Jahre 2017, als das ProstSchG eingeführt wurde. Aus der Tabelle oben lässt sich herauslesen, dass die Hurenlöhne sich seit Mitte der 80er Jahre nicht verändert hatten, während Verbraucherpreisindex und mehr noch Bruttolöhne sich in diesem Zeitraum praktisch verdoppelten. Eine sich analog den Verbraucherpreisen und Bruttolöhnen vollziehende Entwicklung hätte den im Jahre 2017 noch geltenden Clubstandard bei circa 85 € taxieren und in jenem Jahr um den Clubstandard bereinigte Basispreise in Höhe von 43 € nach sich ziehen müssen; wenn wir für einen Moment so tun, als ob das ProstSchG, das den Gebrauch von Kondomen vorschreibt, nicht existierte, ergibt sich heute, im Jahre 2022, als Clubstandard rechnerisch ein fairer Betrag von 90-100 Euro für das, was im Clubjargon als 1 CE bezeichnet wird. Die Proteste der Huren gegen die nach ihrem Empfinden zu niedrigen Tarife sind – zumindest ungeachtet hier nicht weiter betrachteter Preis- und Steuereffekte – gerechtfertigt, das gilt sowohl für die Preise in Eroscentern als auch für die Preise in Saunaclubs. Das ProstSchG, das mit einer ganz anderen Zielsetzung ins Leben gerufen wurde, hat unfreiwillig den Huren in Deutschland den Weg für Tariferhöhungen geebnet. Man kann davon ausgehen, dass sie in absehbarer Zeit nicht mehr bereit sein werden, für die altgewohnten Preise zu arbeiten.
Es wurde weiter oben dargelegt, warum gemäß den Punkten 1 bis 8 (ohne Punkt 6) viele Jahre erheblicher Druck auf den Preisen gelegen hat. Der Wind hat sich inzwischen gedreht: Die unter Punkt 9 und 10 dargelegten Einflussfaktoren wirken nicht einfach nur nachhaltig preistreibend, sondern erwecken den Eindruck einer nachhaltigen Trendumkehr. Der bis in die jüngste Vergangenheit noch geltende Hurenlohn ist noch die Momentaufnahme einer dreißigjährigen Preiszementierung in deutschen Bordellen. Prostitution ist ähnlich wie etwa Erntearbeit eine Tätigkeit, die wirtschaftlich für Einheimische längst nicht mehr attraktiv erscheint, demgemäß haben sich spätestens seit 1990 deutsche Frauen weitgehend aus diesem Markt zurückgezogen oder sind abgetaucht in lukrative Gefilde möglichst unterhalb der Radarerfassung. Man kann dem natürlich entgegenhalten, dass die ausländischen Frauen in deutschen Bordellen immer noch Verdienste erzielen, die in ihren Heimatländern äußerst attraktiv sind. Wir sind jedoch der Meinung, dass in einem Land Vergütungen angebracht sind, die der Kaufkraft in diesem Land entsprechen.
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob es nicht doch üppig bezahlt erscheint, dass eine Hure in deutschen Bordellen in einer Stunde eine Vergütung erreicht, für die ein Arbeitnehmer im Durchschnitt einen ganzen Tag arbeiten muss. Allerdings ist dieser Vergleich zu kurz gegriffen, denn Prostituierte müssen zur Anbahnung dieser lukrativ vergüteten Tätigkeit im Allgemeinen einen unverhältnismäßig hohen Zeitaufwand betreiben, der implizit im Hurenlohn enthalten ist.
Des Weiteren steht die Frage im Raum, inwieweit in einer wohlhabenden Gesellschaft mit hochentwickelten Sozialstandards Frauen überhaupt noch die Bereitschaft entwickeln, in die Prostitution zu gehen. Die Antwort darauf ist ein wenig beachteter, aber maßgeblicher Einflussfaktor auf die Preise im Milieu. Trotz umfassender behördlicher Regulierungen ist die Prostitution in ihrem Kern nämlich astrein marktwirtschaftlich organisiert. Die extremen Preisspannen zwischen einerseits Elendprostitution im einstelligen Eurobereich und andererseits Luxusprostitution mit Preisvorstellungen im vier-, fünf- oder gar sechstelligen Eurobereich erklären sich auf der Angebotsseite daraus, ob und – wenn ja –, unter welchem Handlungsdruck die Prostituierten stehen. Gleichwohl hat jede Frau das Recht, für sich zu postulieren, dass ihre Pussy einzigartig auf der Welt sei und das durch entsprechend hohe Preisansagen zu dokumentieren; auf der anderen Seite gibt es eben immer wieder auch Männer, die bereit sind, jeden für sie bezahlbaren Preise zu zahlen, sei es, weil sie hemmungslose Nachfrager sind, sei es, weil sie diese hohen Preise als Distinktionmerkmal sogar begrüßen.
Im horizontalen Gewerbe war die Preisskala der erotischen Dienstleistungen immer schon nach oben offen. Es ist das historische Verdienst der Saunaclubs, dass sie Transparenz und geordnete Tarife in die deutschen Bordelle gebracht haben. Mit den Jahren haben sich allerdings diese Tarife überlebt. Mit dem ProstSchG ist Bewegung in die Preise gekommen – es war auch dringend überfällig. Bei den Preisanpassungen wird es noch für längere Zeit zu Exzessen zu Lasten der Freier kommen. Es ist dies eine Rückkehr in die Normalität des Prostituiertendaseins. Denn zum Ethos der Huren gehört es seit jeher, ihre Dienste der Kundschaft als das ganz besondere Erlebnis schmackhaft zu machen. Und das kostet extra, Schatzi!